- Wohnungsgenossenschaft
- kooperative Wohnungsunternehmen (auch als Bauvereine, Baugenossenschaften, Wohnungsgenossenschaften, Bau- und Sparvereine u.a. bezeichnet), die für ihre Mitglieder im Wohn- und Immobilienbereich Aufgaben übernehmen, die diese aus ihrer wirtschaftlichen Situation heraus grundsätzlich zu erfüllen nicht in der Lage sind.- 1. Begriff und Prinzipien: Eine W. ist eine Personengruppe, deren Personenzahl nicht geschlossen ist, und die im Bereich des Wohnens oder der Immobilienwirtschaft gemeinsame Zwecke verfolgt. Durch gruppenmäßige Selbsthilfe soll eine wohnungs- und immobilienwirtschaftliche Besserstellung ihrer Mitglieder realisiert werden. Es handelt sich um einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Geschäftsbetrieb i.d.R. in der Rechtsform einer ⇡ eingetragenen Genossenschaft (eG), der mit der Personengruppe in einer Leistungsbeziehung steht und eine direkte oder indirekte Förderung der Genossenschaftsmitglieder erreichen soll. Die Mitgliederförderung durch Selbsthilfe ist das Wesensprinzip der Wohnungsgenossenschaft, wobei es sich um eine wirtschaftliche Nutzenstiftung (Ermöglichung der Nutzung preiswerter Wohnungen, des Erwerbs preisgünstigen Wohneigentums bzw. der Inanspruchnahme attraktiver Dienstleistungen rund um das Wohnen) handelt. Bei W. handelt es sich um eine individuelle Förderung der Mitglieder – und nicht wie bei kommunalen Wohnungsgesellschaften – um eine Versorgung breiter Schichten der Bevölkerung mit Wohnungen. Im Zusammenwirken zwischen Personenvereinigung und Geschäftsbetrieb ist das Prinzip der ⇡ Doppelnatur der Genossenschaften zu sehen; außerdem sind Wohnungsgenossenschaften an den Unternehmensgrundsätzen der genossenschaftlichen Selbstverwaltung (⇡ Genossenschaftsorgane) dem Subsidiaritätsprinzip, dem Solidaritätsprinzip u.a. ausgerichtet.- 2. Arten und Funktionen: Nach den unterschiedlichen strategischen Geschäftsfeldern der W. sind verschiedene Unternehmensarten zu unterscheiden, die entsprechend differierende Aufgaben für ihre Mitglieder übernehmen.- a) Bei der Vermietungsgenossenschaft handelt es sich um eine W., deren Geschäftstätigkeit primär oder ausschließlich auf die Nutzenüberlassung von Wohnungen an die Genossenschaftsmitglieder und bis zu einem gewissen Grad auch an Nichtmitglieder ausgerichtet ist.- b) Bei der Bauträgerwohnungsgenossenschaft ist Geschäftstätigkeit dahingehend ausgerichtet, Wohnungen oder Eigenheime zu erstellen und an die Genossenschaftsmitglieder zu verkaufen.- c) Eine Kombination dieser beiden Genossenschaftsarten ist in der Vermietungs- und Eigentümerwohnungsgenossenschaft gegeben, die in Deutschland die Mehrzahl der Wohnungsgenossenschaften ausmacht. Die überwiegende Zahl der W. führt das Vermietungsgeschäft an die Mitglieder durch und hat noch in geringerem Umfange das Bauträgergeschäft als Geschäftsfeld. Wenn sich weniger als 10 Prozent des Geschäftsvolumens einer derartigen W. auf Einnahmen aus der Vermietung von Wohnraum ergeben, dann handelt es sich um eine steuerbefreite Wohnungsgenossenschaft.- d) Eine wohnungsbezogene Dienstleistungsgenossenschaft ist dann vorhanden, wenn diese für ihre Mitglieder und in geringerem Umfange für die Nichtmitglieder Leistungen anbietet, die nicht nur in der Vermietung von Wohnungen und der Vermittlung von Wohneigentum, sondern auf Geschäftsfelder „rund um das Wohnen“ ausgerichtet sind (altersgerechtes Wohnen und Versorgen, Vermittlung von immobilienbezogenen Versicherungen und Bausparverträgen, Entgegennahme von Spargelder der Mitglieder durch die W. mit Spareinrichtungen).- e) Eine Dienstleistungsgenossenschaft mit immobilienwirtschaftlicher Herkunft tritt dann auf, wenn ein solches Unternehmen vielfältige Geschäftssparten übernommen hat – auch solche, die nicht dem Wohnungs- und Immobilienbereich zuzuordnen sind – jedoch die wirtschaftshistorische Herkunft aus dem Bereich der W. gegeben ist (Reisebüros, Lebensmitteleinzelhandelsgeschäfte, Durchführung von Handwerks- und allgemeinen Dienstleistungen). Obwohl gegenwärtig in Deutschland die Vermietungsgenossenschaften mit Bauträgeraktivitäten dominieren, wird zukünftig in den W. der Dienstleistungsbereich als Geschäftsfeld von Bedeutung sein.- 3. Strukturen: Die Struktur der W. wird durch die Anzahl und Größe der Unternehmen, der Zusammensetzung der Mitgliedschaft nach soziologischen und wirtschaftlichen Kriterien, dem Auftreten an unterschiedlichen Standorten und in unterschiedlichen Rechtsformen gekennzeichnet.- a) Bei den W. dominieren in Deutschland die kleinen Unternehmensgrößen.- b) In demographischer Hinsicht ist festzustellen, dass die Wohnungsnutzer primär Ein- bis Zweipersonen-Haushalte sind und zumeist eine Überalterung der Mitglieder vorliegt.- c) Bei der Struktur der Unternehmensformen ist erkennbar, dass die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft dominiert, dass aber auch Wohnungsgenossenschaften in anderen Rechtsformen, speziell der GmbH auftreten.- 4. Gesamtwirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung: W. sind in der zweiten Hälfte des 19. Jh. entstanden und erreichten zu Beginn des 20. Jh. und in den 20er Jahren einen Höhepunkt in ihrer Entwicklung (1890: 50 W., 1914: 1.402 W., 1930: 4.132 W., 1948: 2.048 W. und 2001: 1.982 W. in Deutschland. Die W. haben 2,949 Mio. Mitglieder und einen Wohnungsbestand von 2,1 Mio. Wohnungen; das Geschäftsguthaben der Mitglieder macht 2001 insgesamt 3,58 Mrd. Euro aus. Rund 800 W. aus den neuen Bundesländern mit 1,1 Mio. Wohnungen und 1 Mio. Genossenschaftsmitgliedern haben zu einer beachtlichen Stärkung der genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen in Deutschland beigetragen.- Die W. werden zukünftig eine günstige Entwicklungsmöglichkeit haben, weil ihre genossenschaftlichen Unternehmensprinzipien mit den gesellschaftlichen Grundwerten (Freiheit, Eigen- und Selbstverantwortung, Mitbestimmung im Unternehmen, persönliche Kommunikation und Freiheit etc.) übereinstimmen. Die Finanzierungsprobleme mit neuen Finanzierungsstrategien (v.a. in der Beteiligungsfinanzierung) und der Einführung von Genussrechtskapital und Immobilien-Leasing und ggf. neue fiskalpolitische Förderungen des genossenschaftlichen Wohneigentums und auch neue kooperative Wohnformen – v.a. auch im altersausgerichteten Wohnen – werden an Bedeutung gewinnen.
Lexikon der Economics. 2013.